Sage der Stadtgöttin CISA

CISA war angeblich die Stadtgöttin von Augsburg und diese Göttin wird in mehreren mittelalterlichen Quellen (12. –14. Jahrhundert) erwähnt. In Randnotizen des aus dem Stift Ursberg stammenden Excerptum ex Gallica Historia (um 1135) wird ausführlich von der erfolglosen römischen Belagerung der von schwäbischen Stämmen zwischen Lech und Wertach errichteten Stadt Cisaris, dem späteren Augsburg, berichtet. Die Stadt war demnach nach einem Heiligtum der Göttin CISA benannt. Die Göttin habe, so die Quellen, einen hölzernen Tempel in barbarischer Weise gehabt und einen eigenen Festtag, der ‚dies Cize‘, der mit Spiel und Lustbarkeiten begangen wurde, und zwar am 59. Tag nach dem 1. August, also am 28. September.

Der Text aus dem 12. Jahrhundert erweist sich als diffuse Kompilation mit deutlichem Schwerpunkt auf der, für die Sagenforschung nicht ungewöhnlichen, phantasievollen Ausdeutung nicht mehr verstandener, wohl voralemannischer Lokalnamen. In der Diskussion blieb allein die Göttin CISA, sicherlich deswegen, weil Jacob Grimm in seiner Deutschen Mythologie den „Werth der merkwürdigen Überlieferung“ ausdrücklich betonte.

Als eine der Stadt Augsburg treu gebliebene Göttin kann CISA bezeichnet werden. Ihr Heiligtum soll an der Stelle des später dort aufgebauten Stadtturmes, des Perlach, seinen Platz gehabt haben. Sie wurde hier lange vor der christlichen Zeitwende von dem keltisch-vindelikischen Volke als Förderin des Kornbaues und Pflanzens und als Göttin der Fruchtbarkeit hoch verehrt. Die große Invasion der Römer im nördlichen Alpenvorland während der Regierung des Kaisers Augustus brachte aber den Vindelikern blutige Kämpfe, denen sie zuletzt im Jahre 15 v. Chr. bei der Verteidigung des Tempel der CISA erlegen sein sollen.

Als der Stadtbaumeister Elias Holl den Umbau des Perlachturms vollendet hatte, steckte er am 20. August 1615 „das sitzend Bild“ auch hinauf. Ob es schon vordem als bekrönendes Turm- und Stadtzeichen verwendet worden war, kann nur angenommen werden.
Hoch über dem Perlachturm dreht sich noch heute als golden leuchtende Wetterfahne eine Darstellung der CISA im Winde. Fünf Fuß hoch ist die sitzende Gestalt, ihr Haupt schmückt die Mauerkrone, mit einer Hand hält sie sich an der Stange der Turmspitze, in der Hand des ausgestreckten anderen Armes trägt sie den Pinienzapfen des Stadtwappens. In der schrecklichen Kriegsnacht des 25. Februar 1944 ist auch der Perlach ausgebrannt und die achteckige Turmlaterne zusammengestürzt. Mit ihr fiel auch CISA hernieder, blieb aber zum Glück an dem steinernen Geländer des Turmkranzes hängen und konnte dadurch der Vernichtung entgehen.
Inzwischen ist der Perlachturm wieder aufgebaut worden. Wie ehedem thront CISA hoch oben und hält die Zirbelnuss schützend über die Stadt Augsburg.

Unabhängig von den historischen Belegen war es uns die Sage wert, einen zur Stadt Augsburg passenden und gleichzeitig herausragenden Theaterpreis zu entwickeln: die Goldene CISA.

Präsentieren die Goldene CISA: Maria-Anna Meißner, Roland Bartosch, Peter Boegler, Utta Mörgenthaler und Richard Rummel (von links) aus dem Vorstand der Theaterfreunde Augsburg. Die Auszeichnung würdigt außergewöhnliche künstlerische Leistungen am Staatstheater Augsburg.

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Literatur- / Einzelnachweise

Küchlin: Herkomen der stat zu Augspurg, ed. Ferdinand Frensdorff. In: Die Chroniken der deutschen Städte Band 4. Leipzig 1865, S. 343–356, hier S. 347
Christian August Vulpius: Mythologie der deutschen, verwandten, benachbarten und nordischen Völker; Lemma Ciza
Jacob Grimm: Deutsche Mythologie (1835). (Lizenzausgabe 1992: ISBN 3-922383-68-8)
Wolfgang Golther: Handbuch der Germanischen Mythologie
R. Kohl: Die Augsburger Cisa – eine germanische Göttin? In: Archiv für Religionswissenschaft 33 (1936), S. 21–40
Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 67
Kießling, Hermann: Augsburg und sein Rathaus 1985. Augsburg 1985
Winkler, Gerd: Turmichele. Geschichte und Geschichten einer liebenswerten Augsburger Besonderheit. Augsburg 2006